Münsteraner Orgelherbst-Nachlese aus „bayrischer Sicht“

Bericht zum Gastkonzert am 16. Oktober 2011
anlässlich des „Orgelherbst St. Joseph, Münster.

Im letzten Jahr durfte ich in Münster (NRW) die Bekanntschaft eines jungen, aktiven und perfekt zeitlich organisierten Kirchenmusikers machen, der ein Fan des „warmen, ober-bayrischen Wortlauts“ im vokal-dialektisch angereicherten Deutsch von mir orgelbe-geisterten „Süd-Bundesstaatler“ war. Die unkomplizierte Kommunikation und gegenseitige, musikalische Hochachtung mit großer Gastfreundlichkeit seinerseits ergaben die Basis für diese Einladung in diesem Jahr, die für mich eine große Ehre war!

Was mich  nach einer über sechsstündigen aber trotzdem kurzweiligen ICE-Fahrt am Vormittag nach meiner Ankunft in Münster erwartete, lässt das Herz des „Freundes für kunsthistorische Bauten, klangvolle Räume und Instrumente“ höher schlagen:
St. Joseph (an der Hammerstr.) – eine neugotische, kathedralartige Kirche aus den letzten Jahren des 19. Jahrhunderts mit dreiteiligem Langschiff, Querschiff, großer Vierung und Chorraum, in hellem, restauriertem Sandstein, großflächig angelegter Gotik, unterbrochen von großen Obergadenfenstern, überwiegend mit Weißglas. Die Raumakkustik – ca. 10 Sekunden Nachhall. Die historische Bausubstanz mit engen Maßen im Bereich der Emporenaufgänge – eine Herausforderung mit nicht ganz agilem, körperlichem „Sportfahrwerk“ in Konzertkleidung – verlangte doch einiges an „Training“ bevor man über die schmale Wendeltreppe nach vier Umwindungen die Orgelbühne betrat.
Das dreimanualige 60 Register-Instrument mit Pfeifenbeständen aus den Jahren 1719, 1872, 1937, 1988 und 2006 – von Orgelbau Fleiter in Zusammenarbeit mit Kirchenmusiker Müller nach und nach gut durchorganisiert und neu konzipiert –  überzeugte schon bei der Konzertvorbereitung mit zahlreichen, schönen Einzelstimmen und gemischten Klangfär-bungen vom Pianissimo bis zum Generaltutti. Durch die Klangabnahme über im Kirchengewölbe, auf Höhe des 3. Jochs aufgehängten Mikrofone für das kircheneigene Tonstudio und an Kopfhörer gekoppelt, konnte ich mir beim Üben einen Klangeindruck von dem verschaffen, wie das Spiel unten vernehmbar war. Faszinierend, wie anders das Instrument im Raum klingen konnte im Vergleich zum Eindruck wenn man ohne den Kopfhörer ca. 4 Meter davor saß; – eindeutig eine unverzichtbare Hilfe für werkgerechtes und hörerbezogenes, abwechslungsreiches Registrieren und Artikulieren in diesem wunderbaren, großen Raum, wenn man das Konzert ohne Kopfhörer spielen wollte,
wie ich es letztendlich umsetzte.

Zum optisch-besonderen Eindruck im Kircheninneren hat an diesem Wochenende zusätzlich eine Ausstellung der Münsteraner Malerin Anetta Küchler-Mocny mit moderner sakraler Kunst unter dem Titel „Verdecktes Paradies“ beitragen, die in verschieden großen Darstellungen das Wirken von Papst Johannes-Paul II. behandelte. Dies zeigte mir einmal mehr in beeindruckender Weise, (wie auch die gesamte frischrenovierte Raumkonzeption der Kirche), wie schön und gefällig dezent-moderne Sakralkunst in altehrwürdige Kirchen-bauten integriert werden kann, ganz ohne diese zu stören, stattdessen aber empfindbar als Bereicherung mit neuen Akzent und als Zeichen der Offenheit der Menschen einer Pfarrei, die dies bewusst anbieten und sich tätig damit  auseinandersetzen.

Der Konzerttag wurde am Vormittag eingeleitet von einem innenstädtischen Besuch auf dem „Prinzipalmarkt“ (Domplatz) bei sonnigen Herbstwetter mit Dombesichtigung und Besuch im „Kirchenfojer“ auf einen „Ratsch“ bei einer wärmenden Tasse Kaffe.
Bei meiner befreundeten Gastfamilie feierte die seit einiger Zeit volljährige Tochter des Hauses, bei der ich als musikalisch-bayrischer Firmpate sehr geschätzt werde, ihren noch nicht ganz runden Geburtstag. Dies spiegelte sich dann auch nach dem Literaturteil, später, in der Zugabe-Improvisation des Konzertes mit den vom Publikum gegebenen Liedthemen (Nun danket alle Gott – Lobe den Herren – So nimm den meine Hände) nach dankbaren Worten meinerseits an die 150 Zuhörer wieder mit dem an verschiedenen Stellen durchscheinenden Motiv des Kanons „Viel Glück und viel Segen“ – sei es versteckt zwischen anderen Choralzeilen oder überaschend klar vernehmbar durch das vom Spieltisch elektrisch angesteuerte Röhrenglockenspiel an der linken Langhausseite vor der Vierung. Das eigens für besondere Konzertdarbietungen in die Kirche unscheinbar integrierte, dimmbare Beleuchtungskonzept verlieh dem abendlichen Stimmungsbild im Kirchenraum einen besonders sanften, an die Musik kaum merkbar angepassten Glanz. Das Spiel im Konzert bereitete mir, trotz zwischenzeitlicher völliger Ausreizung meiner körperlichen Grenzen  große Freude und wurde mit reichem Applaus bedacht.
Im Anschluss ermöglichte das fleißige Organisationskomitee des „Orgelherbstes St. Joseph“ unter der Empore im abgetrennten Vorraum zum Langschiff einen Stehempfang mit der Gelegenheit zu Begegnung und Gespräch, bei dem der Abend einen kommunikativen, stimmungsvollen Ausklang fand.

So möchte ich mich nochmals besonders bedanken bei Herrn Pfarrer Dr. Rau mit dem Küster der Kirche, bei Kantor Müller und seinem Organisationskomitee, meiner vertrauten Gastfamilie und allen, die zu diesem unvergleichlichen Wochenende beigetragen haben!

Die für mich erfahrbare Verschmelzung von Zeit, Raum und Klang und die große Freundlichkeit des Gastgebers hinterlassen nun bei mir Eindrücke die mir unvergesslich in Erinnerung bleiben werden!

Ihr Korbinian Maier

Anmerkung zum Schluss:
Die  freie Zugabe-Improvisation können Sie hören, wenn Sie den Link im Menü „Multimedia“ anklicken.

 

 

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